"Einigkeit und Recht und Sicherheit"

Zukunft: Wie die Deutschen 2030 arbeiten und leben werden, war das Thema beim VR-Mitgliederforum in Schrozberg. Es ging um Wohlstand, Werte, Sinn, Halt und Heimat.

Von Kerstin Dorn, Hohenloher Tagblatt

Die Raiffeisenbank Schrozberg-Rot am See und die Volksbank Vorbach-Tauber hatten am letzten Donnerstag zum VR-Mitgliederforum in die Schrozberger Stadthalle eingeladen und 800 Gäste sind gekommen. Sie wollten erfahren, wie sie und ihre Nachkommen im Jahre 2030 leben und arbeiten werden. Denn genau das war Thema des Gastredners, des Hamburger Professors Dr. Horst Opaschowski.
Opaschowski, von verschiedenen Medien als „Mr. Zukunft“ oder „Zukunftspapst“ betitelt, gilt seit Jahrzehnten als gefragter Ratgeber: Unter der Regierung von Willy Brandt war er
wissenschaftlicher Mitarbeiter, unter Helmut Kohl wissenschaftlicher Gutachter und Angela Merkel schätzt seinen Rat als wissenschaftlicher Berater.
Lebensstandard wird sinken
Um das Fazit gleich vorweg zu nehmen: 2030 wird es vielen ökonomisch gesehen nicht mehr so gut gehen wie heute, prophezeit der Zukunftsforscher. Und obwohl viele nicht mehr so hohe Einkommen erzielten, werden sie sich nicht unglücklicher fühlen. Lebensstandard sei nicht gleichbedeutend mit Lebensqualität: Nachhaltiger Wohlstand und Werte wie Heimat und soziale Geborgenheit gewinnen zunehmend an Bedeutung. Und auch die Religion werde in den Alltag zurückkehren, wobei aus Gottesgläubigen Sinnsucher werden, die sich fragen, wie sie leben wollen. Entwarnung gibt der Professor vor der Befürchtung, die Digitalisierung
werde Arbeitsplätze vernichten. Die Maschinenstürmer-Ängste, wie wir sie schon seit den 50er-Jahren kennen, hätten sich nicht bewahrheitet. Im Gegenteil: In den hoch technisierten
Ländern Japan, Deutschland und in den USA sei die Arbeitslosenquote am geringsten. Allein
in Deutschland sind in den letzten zehn Jahren über eine Million neuer Arbeitsplätze geschaffen worden.
Zuwanderung bleibt ein Thema
Auch die Zuwanderung bleibe in den nächsten 20 Jahren ein Thema. „Armut braucht keinen Pass“ hat der Forscher bereits 1994 prognostiziert. 2050 werden ein Drittel aller Einwohner in Deutschland ausländische Wurzeln haben, in den Städten sogar mehr als die Hälfte. Bis 2030 werde die Toleranz zum Standortfaktor.
Digitale Diät ist nötig
Gleichfalls stoße die digitale Revolution an ihre Grenzen. Vor Technik, die Zeit raube, solle man sich – aber vor allem seine Kinder – schützen. „Entziehen Sie sich dem Zeitdiktat des Silicon Valley!“, lautet der eindringliche Rat an die Zuhörer im Saal. Hoffnung macht er im Hinblick auf die Familie: Die Individualisierung habe ihren Zenit überschritten. Die Familie sei den Deutschen heilig. Das soziale Wohlergehen könne Wohlstandsdefizite ausgleichen und eine Familie könne vor Armut schützen. Zunehmen werde auch die Lust am Schaffen. Schaffensfreude, die nicht zu verwechseln sei mit Arbeitsfreude, müsse zunehmend zum Synonym für Lebensfreude werden.
Die Frauen und Alten kommen
Auch die Rolle der Frauen wird sich wandeln, wenn auch verbunden mit zunehmenden Statuskämpfen innerhalb der Partnerschaft. Die Wirtschaft werde sich vom Patriarchat verabschieden und dem Shanghaier Modell folgen, wo mehr als die Hälfte aller Unternehmen von Frauen geleitet werden. Darüber hinaus sei auch mit dem Jugendwahn Schluss. 2050
wird es neunmal mehr Hundertjährige geben als heute, eine Summe, die der Einwohnerzahl von Göttingen entspricht. Ein steigendes Lebensalter werde auch „Flexirenten zwischen 60 und 70“ erfordern.
Schaffen ist Leben
Der Wunsch nach Sicherheit, so das Fazit des Forschers, sei den Deutschen wichtiger als der
Durst nach Freiheit. Man müsse dennoch lernen, mit den sich häufenden Krisen und Unsicherheiten zu leben. Sicherheit und Gemeinsinn sind auch für die Volks- und Raiffeisenbanken wichtige Leitlinien, bekräftigt der Vorstand der Raiffeisenbank Schrozberg-Rot am See, Winfried Stahl. Es sei das Anliegen der Genossenschaften, ihre Kunden bei der Zukunftsplanung und bei finanziellen Entscheidungen zu unterstützen.

V.l.n.r.: Vorstand Winfried Stahl (Raiba), Vorstandsvorsitzender Jürgen Fricke (VVT), Prof. Dr. Horst W. Opaschowski, Vorstand Dirk Schlenker (VVT), Vorstand Thomas Haag (Raiba)