Von Oliver Färber, Hohenloher Tagblatt
„Versäume nicht dein Leben“
Vortrag Pater Anselm Grün spricht beim Mitgliederforum der Raiffeisenbank Schrozberg-Rot am See und der Volksbank Vorbach-Tauber in der Schrozberger Stadthalle vor rund 1300 Interessierten.
Wenn Pater Anselm Grün spricht, dann kommen die Menschen in Scharen zusammen und lauschen. Das ist auch am Montag in der Schrozberger Stadthalle so. Rund 1300 Besucher sind gekommen – und während er seinen Vortrag hält, wäre es zu hören, wenn eine Stecknadel auf den Boden fiele. Rund 300 Bücher hat der Benediktiner bereits veröffentlicht,
und sein Thema an diesem Abend unter dem Motto „Versäume nicht dein Leben“ erweckt großes Interesse.
Winfried Stahl, Vorstand der Raiba Schrozberg-Rot am See als einer der Gastgeber, verbindet das Thema mit der Generation Smartphone, die viele Stunden am Tag in sozialen Netzwerken verbringt. „Die Frage ist, ob wir etwas versäumen, wenn wir das nicht machen oder ob eine Mangelerfahrung nicht auch bereichert“, gibt er zu bedenken – und übergibt an den Geistlichen. Die Menge spendet Applaus. Grün erklärt, wie er auf das Thema seines Vortrags gekommen ist: „Es ist in vielen Gesprächen vorgekommen, dass Leute meinen,
etwas in ihrem Leben zu versäumen oder das Gefühl haben, etwas versäumt zu haben“, berichtet er. Gründe seien dafür bei einigen die Angst vor dem eigenen Leben oder wenn der Sinn im Leben fehle. „Manche versäumen auch viel, weil sie ständig in der Opferrolle sein wollen“, fügt er hinzu. Sie gäben dabei oft anderen die Schuld für ihre eigene Lebenssituation. Ein Weg aus der Opferrolle sei es, einfach anderen auf eine andere Weise zu begegnen. Es liege an jedem selbst, seinem Leben einen Sinn zu geben. Frömmigkeit sei dafür eine Möglichkeit. Aber es bestehe auch die Gefahr, mit dem Glauben dem realen Leben auszuweichen. Das gelte auch für die Krise, die manche Menschen zur Lebensmitte
durchmachten. „Es ist dann nicht die Zeit, sich selbst für das zu beschuldigen, sondern neue Akzente zu setzen“, rät der Geistliche. Doch auch sich selbst alle zwei Jahre total zu ändern,
sei nicht angesagt. Die christliche Antwort sei die Wandlung, die Erkenntnis, dass alles in Ordnung sei, man aber noch nicht der sei, der man einmal werde.
Das Wort Wandlung solle auch in Betrieben gelten. Er kritisiert dabei die Deutsche Bank, die beim ständigen Umstrukturieren ihr Ziel verloren habe. Die Mitarbeiter seien unzufrieden. „Und wenn er nicht wertgeschätzt wird, dann blockiert er das“, so die Ansicht des Paters.
„Unser Leben ist begrenzt, deshalb ist es wichtig, sich damit auszusöhnen“, schneidet er einen neuen Aspekt an. Das gelte besonders, wenn ein geliebter Mensch sterbe. Viele seien der Meinung, sich nicht richtig verabschiedet zu haben. Doch dafür sei es nie zu spät: Man könne beispielsweise einen Brief an den Verstorbenen schreiben.
Er warnt allerdings davor, absichtlich das Leben zu verpassen – und wendet sich besonders an Eltern. Allzu schnell würden Psychiater heute den Kindern Medikamente verschreiben, ohne dass sich mit Problemen auseinandergesetzt werde. „Es werden dabei Schritte im Leben einfach übersprungen“, teilt der Pater seine Erfahrungen mit.